Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gegenüber ethnischen und religiösen Minderheiten
Mittwoch, 9. Juni, 10:00 bis 17:00 Uhr
Die gesellschaftlichen Debatten über Zuwanderung und Differenz scheinen rauer geworden zu sein. Das ist keine völlig neue Entwicklung. Schon seit vielen Jahren kommen empirische Studien zu dem Befund, dass menschenfeindliche Einstellungen gegenüber marginalisierten Gruppen stabil in der Bevölkerung verankert sind. Hinzu gesellen sich in der jüngeren Vergangenheit manifeste Übergriffe etwa gegen Geflüchtete oder islamistisch-fundamentalistisch motivierte Aktionen – nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa.
Überdies scheint die derzeitige Corona-Pandemie polarisierenden Positionen Vorschub zu leisten, die an den Grundfesten der demokratischen Verfasstheit kratzen. Die beunruhigende Erkenntnis, dass Krisen ordnungsgefährdend sein können, hatte bereits Émile Durkheim in seinen anomietheoretischen Ausführungen dargelegt. Dies birgt enorme Herausforderungen für die Fachkräfte des Sozial- und Bildungswesens, der Kontrollinstitutionen sowie die Wissenschaft.
Im Rahmen der Online-Tagung „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gegenüber ethnischen und religiösen Minderheiten“ wollen wir uns mit den genannten Heraus-forderungen befassen.
Zwei Keynote-Vorträge sowie verschiedene Workshops bieten Gelegenheit für einen fachlichen Austausch.
Eingeladen sind sowohl Fachkräfte aus Praxis und Zivilgesellschaft als auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Prof. Wilhelm Heitmeyer (Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, Universität Bielefeld)
Rechte Bedrohungsallianzen und mangelnde Konfliktfähigkeit im Alltag
Die offene Gesellschaft und die liberale Demokratie werden von einem "konzentrischen Eskalationskontinuum" bedroht, zu dem auch Einstellungen der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in der Bevölkerung zählen. Wie ist das zu erklären?
Zur Bekämpfung wird oft nach dem starken Staat gerufen, während in den eigenen sozialen Bezugsgruppen vielfach Mutlosigkeit herrscht, um zu intervenieren, wenn Ideologien der Ungleichwertigkeit geäußert werden. Was ist zu tun?
Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer...
... war von 1996 bis 2013 Gründungsdirektor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld. Er arbeitet jetzt als Senior Research Professor an der Universität Bielefeld.
Dr. Alexander Yendell (Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt, Standort Universität Leipzig)
Islam- und Muslimfeindlichkeit – ausgewählte Befunde und Ursachen
In dem Vortrag werden die Ausmaße von Islam- und Muslimfeindlichkeit in der Bevölkerung und deren Bezüge zu Rechtspopulismus und Rechtsextremismus dargestellt. Darüber hinaus werden die Erklärungspotentiale verschiedener Theorien zu den Ursachen von Islam- und Muslimfeindlichkeit wie Autoritarismus, Verschwörungsmentalität, soziale Dominanzorientierung, soziale Identität, Deprivation und die Kontakthypothese diskutiert.
Dr. Alexander Yendell...
...forscht als Soziologe am Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt, Standort Universität Leipzig.
Birgit Dellwig; Susanne Brundiers (Regionale Schulberatungsstelle Paderborn)
Umgang mit Extremismus in der Schule
Was veranlasst insbesondere junge Menschen dazu, sich politisch extremistisch zu verhalten oder sich entsprechenden Gruppen anzuschließen? Wo hören Jugendstreiche auf? Wann bin ich als Lehrkraft aufgefordert, was zu tun? Welche Einflussmöglichkeiten habe ich als Lehrkraft? Anhand von Fallbeispielen und unter Berücksichtigung des Notfallordners für Schulen in NRW zeigen wir Möglichkeiten der Intervention und Prävention auf. Dieser Workshop richtet sich bevorzugt an interessierte Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter_innen aus den Sekundarbereichen I und II.
Martin Strätling; Christina Dietl; Thomas Kemper (Caritasverband Paderborn e.V.)
Migrationsberatung: Erfahrungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Bewältigungsmöglichkeiten
Zurücksetzung, Beleidigung und Gewalt – basierend auf menschenfeindlichen Ideologien – prägen die Alltagserfahrung vieler Menschen in Deutschland. Gründe sind etwa ihre Religion, ihre Herkunft oder Hautfarbe. In diesem Workshop erzählen Berater_innen in der Integrations-, Migrations- und Antidiskriminierungsarbeit des Caritasverbandes Paderborn e.V. aus ihrer Berufspraxis. Angehörige des Forums der Religionen Paderborn berichten von Erfahrungen, die sie und andere selbst gemacht haben. Mit den Teilnehmenden diskutieren wir Erfahrungen und erörtern Lösungsansätze.
Dr. Thomas Pfeiffer (Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen)
Erlebniswelt Rechtsextremismus: modern – subversiv – hasserfüllt
Rechtsextremismus heute: Nie war das Bild moderner, die Palette der Stile breiter, die Nähe zu den Ausdrucksformen aktueller Jugendkulturen größer. Die neuen Formen sind zeitgemäß und dynamisch, das gewünschte Image ist cool, subversiv und provokant. Die Inhalte sind jedoch im Kern gleichgeblieben: rassistisch und demokratiefeindlich. "Rechts" zu sein verspricht Action, Tabubruch und Anerkennung, zu den Lockmitteln zählen multimediale Angebote im Social Web, Events wie Flashmobs und Konzerte.
Adriane Schmeil (Deutscher Volkshochschul-Verband e.V.)
Jugendarbeit: Modellkonzepte für die primäre Präventionsarbeit mit jungen Menschen
Im Rahmen des Projekts Prävention und Gesellschaftlicher Zusammenhalt (PGZ) des Deutschen Volkshochschul-Verbands e.V. (DVV) werden Modellkonzepte für den Einsatz mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen entwickelt. Die Themenfelder "Staat und Gesellschaft", "Zugehörigkeiten und Identitäten" sowie "Digitale Lebenswelten" strukturieren die Zusammenstellung der Materialien. Im Rahmen des Workshops werden beispielhaft die Modellkonzepte "Flagge zeigen gegen Rassismus" und "Antimuslimischen Rassismus erkennen und ihm begegnen" vorgestellt.
Eike Breustedt (katho/ s_inn, InnovationLab Paderborn)
Kinderbücher: Rollen(vor)bilder, "Anderssein" und Normalität
Kinder- und Bilderbücher sollen Angst nehmen (Besuch beim Kinderarzt, Schuleintritt…), die Umwelt und Gesellschaft erklären (Geschwister kommen auf die Welt, Tiere im Garten…) oder einfach auf eine Fantasiereise mitnehmen. Aber wie transportieren Kinderbücher diese Botschaften? Die Teilnehmer_innen bekommen die Gelegenheit, sich kritisch und differenzsensibel mit der Darstellung von Rollen(vor)bildern, "Anderssein" und Normalität in Kinderbüchern auseinanderzusetzen. Dabei werden sowohl beliebte Klassiker, als auch spezifisch das Thema "Diversität" behandelnde Bücher betrachtet. In der Gruppe bekommt die Gelegenheit, ergebnisoffen den Umgang mit den verschiedenen Büchern zu diskutieren.
Programm
10:00 Uhr | Begrüßung und Einführung ins Programm |
10:20 Uhr | Grußwort |
10:30 Uhr | Vortrag: |
11:30 Uhr | Kaffeepause |
12:00 Uhr | Vortrag: |
13:00 Uhr | Mittagspause |
14:30 Uhr | Workshops: Umgang mit Extremismus in der Schule, Birgit Dellwig; Susanne Brundiers (Regionale Schulberatungsstelle Paderborn) Migrationsberatung: Erfahrungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Bewältigungsmöglichkeiten, Martin Strätling; Christina Dietl; Thomas Kemper (Caritasverband Paderborn e.V.) Erlebniswelt Rechtsextremismus: modern – subversiv – hasserfüllt, Dr. Thomas Pfeiffer (Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen) Jugendarbeit: Modellkonzepte für die primäre Präventionsarbeit mit jungen Menschen, Adriane Schmeil (Deutscher Volkshochschul-Verband e.V.) Kinderbücher: Rollen(vor)bilder, "Anderssein" und Normalität, Eike Breustedt (katho/ s_inn, Innovation-Lab Paderborn) |
16:00 Uhr | Pause |
16:15 Uhr | Zusammenfassung der Workshops im Plenum und Resümee |
17:00 Uhr | Ende der Veranstaltung |
Anmeldung zur Online-Tagung
Bitte beachten Sie, dass die einzelnen Workshops nach Erreichen der maximalen Teilnehmendenzahl geschlossen werden.
Anmeldeschluss: 01.06.2021
Veranstalter:
Prof. Dr. Martin Winands, Lehrgebiet Theorien, Konzepte und Methoden Sozialer Arbeit; Schwerpunkt: Abweichendes Verhalten und Soziale Kontrolle
Prof. Dr. Marc Breuer, Lehrgebiet Soziologie; Schwerpunkte: Soziologie der Sozialpolitik, der Migration und der Religion
Eike Breustedt, Forschungsreferentin für Soziale Innovation – Innovation-Lab Paderborn, Transfernetzwerk Soziale Innovation – s_inn
Kontakt
Prof. Dr. Martin Winands
Lehrgebiet Theorien, Konzepte und Methoden Sozialer Arbeit; Schwerpunkt: Abweichendes Verhalten und Soziale Kontrolle (Katholische Hochschule NRW, Abt. Paderborn)
Prof. Dr. Marc Breuer
Lehrgebiet Soziologie; Schwerpunkte: Soziologie der Sozialpolitik, der Migration und der Religion (Katholische Hochschule NRW, Abt. Paderborn)