Transferforum "Nachrichten in Leichter Sprache“ am 24. November 2022
05. Dezember 2022

Täglich prasseln neue Nachrichten auf uns ein. Ob über Fernsehen, Radio, Internet oder Social Media – die Informationsflut ist gerade in den aktuellen Krisenzeiten ungemein. Aber sind die Informationen auch für ALLE verständlich? Welche (vor allem öffentlich-rechtlichen) Angebote an Nachrichten in Einfacher und Leichter Sprache gibt es bereits? Wo ist Verbesserungsbedarf und was sagt eigentlich die Zielgruppe dazu? Diesen und weiteren Fragen ging das Transferforum “Nachrichten in Leichter Sprache“ am 24. November 2022 online mit über 70 Teilnehmenden nach.

Der inhaltliche Schwerpunkt der Veranstaltung lag auf der kritischen Vorstellung von bereits existierenden Nachrichten-Angeboten, der Identifizierung der tatsächlichen Bedarfe unter Einbezug der Zielgruppe sowie den Herausforderungen in der konkreten Umsetzung von Nachrichtenformaten in Einfacher und Leichter Sprache.

Nach der Begrüßung durch Tristan Steinberger, stellvertretender Agenturleiter des Transfernetzwerks und Initiator des wiederkehrenden Formats “Transferforum“, stieg die s_inn-Projektkoordinatorin und Übersetzerin, Laura Verena Corsten, in den inhaltlichen Teil der Veranstaltung ein: Sie stellte kurz die Aktivitäten von s_inn im Bereich Leichte Sprache vor, bevor sie selbstkritisch auf ihr eigenes Format Nachrichten in Leichter Sprache zu sprechen kam: Seit März 2022 veröffentlicht Frau Corsten in enger Zusammenarbeit mit der Prüfgruppe für Leichte Sprache der Caritas Wertarbeit in Köln Nachrichten mit NRW-, Deutschland- oder internationalem Bezug. Trotz der hohen Nachfrage und dem regen Interesse seitens der Prüfgruppe erscheinen die Nachrichten aufgrund fehlender zeitlicher Kapazitäten “nur“ einmal im Monat. Dieser Aspekt führte die Übersetzerin sogleich zur näheren Darstellung der Herausforderungen, die sie – nach neun Monaten Nachrichten schreiben – in ihrer Präsentation festhielt. Ihren Nachrichten fehle es leider oft “an Aktualität“ und die Themenauswahl sei “eher subjektiv“ bzw. geleitet von dem, was sie selbst über ihre präferierten Nachrichtenkanäle höre. Außerdem betonte sie die “schwere Erreichbarkeit“ der Zielgruppe und dass das Einhalten der Regeln Leichter Sprache je nach Thema nicht immer möglich sei. Bevor Frau Corsten an ihre Kollegin übergab, stellte sie die Grundsatzfrage nach Einfacher bzw. Leichter Sprache und welche Variante im Nachrichtenkontext entsprechende Vor- bzw. Nachteile mit sich bringt. So erlaube die Einfache Sprache die vergleichsweise “schnelle“ Produktion von Texten und einen verhältnismäßig großen Gestaltungsspielraum für tätige Übersetzer_innen und Redakteur_innen. Die Verwendung von Einfacher statt Leichter Sprache habe aber auch die Ausgrenzung der primären Zielgruppe der Leichten Sprache und potentiellen Leserschaft der Menschen mit Lernschwierigkeiten zur Folge.

Als zweite Impulsgeberin stellte Jacqueline Sluyterman van Langeweyde, Büromanagerin s_inn und ebenso weitergebildete Übersetzerin für Leichte Sprache, das vorhandene Nachrichtenangebot der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten in Einfacher und Leichter Sprache vor. Sie ging dabei neben eingestellten Printangeboten, Podcasts und Audioformaten, vor allem auf Online-Formate wie nachrichtenleicht.de ein, das betrieben vom Deutschlandfunk als einziges überregionales Format sowie einziges On-Air-Format Nachrichten in Einfacher Sprache als Wochenrückblick liefert. Hervorzuheben ist auch das Angebot des Norddeutschen Rundfunks, der das wahrscheinlich größte Angebot an tagesaktuellen regionalen Nachrichten in Leichter Sprache (sowohl in Text- als auch Audioformat) hervorbringt. Glücklicherweise konnten die Veranstalter_innen in diesem Zusammenhang kurzfristig Herrn Dittler, Zuständiger Redakteur im Rahmen der barrierefreien Angebote des NDR, als reflektierten Impulsgeber gewinnen. Herr Dittler wies auf die enge Zusammenarbeit mit der Universität Hildesheim hin und zeigte den Teilnehmenden an einem konkreten Beispiel wie das NDR-Angebot in Leichter Sprache aussieht bzw. sich anhört. Im Zuge der vorgestellten Angebote sei, so Frau Sluyterman von Langeweyde, auf jeden Fall auch der Blog einfachstars | Aktuelles über Stars in Leichter Sprache von Anne Leichtfuß zu erwähnen. Die Blog-Autorin und Expertin für Leichte Sprache gehörte ebenfalls zum Teilnehmenden-Kreis der Veranstaltung und brachte sich kompetent über den Chat mit klugen Anregungen in den Impuls und die anschließende Diskussion mit ein.

Daniela Eschkotte, die das s-inn-Innovation-Lab am Standort Münster innehat und sich ebenso als Übersetzerin für Leichte Sprache weitergebildet hat, rundete den Impulsvortrag ab, indem sie auf tatsächliche Bedarfe einging. Bezugnehmend auf die Fakten der LEO-Studie (2018) betonte sie, dass über 6,2 Millionen Erwachsene in Deutschland gering literalisiert seien und weitere 10,6 Millionen Erwachsene erhebliche Probleme beim Lesen und Schreiben haben. Die Zielgruppe der Einfachen und Leichten Sprache sei also enorm groß, was Anlass dazu gab, auf die Petition Tagesschau in Leichter Sprache – jetzt! hinzuweisen. Frau Eschkotte ging im weiteren Verlauf unter Wortmeldung von Anna Schmitz, Sozialarbeiterin bei der Caritas Wertarbeit in Köln, auch auf die formulierten Wünsche und Rückmeldungen zur Nachrichtenthematik aus Sicht der Zielgruppe, der Menschen mit Lernschwierigkeiten, ein. Frau Schmitz hob das große Interesse der Prüferinnen am Lesen von Nachrichten hervor aber betonte zugleich, dass nicht jede oder jeder mit den Online-Formaten zurechtkomme. Wünschenswert wäre in jedem Fall auch ein Printangebot in Leichter Sprache, wie zusammengetragene Statements von Menschen mit Lernschwierigkeiten aus der Werkstatt proTeam Himmelsthür gGmbH untermauerten. Mit unter den Teilnehmenden befand sich auch Pascal Palma Kries, der künftig als Prüfer für Leichte Sprache am katho-Standort Münster tätig sein soll. Pascal betonte sein persönliches Interesse, vor allem Sportnachrichten in Leichter Sprache lesen zu können.

Nach dem gut einstündigen Vortragsteil der Referent_innen eröffnete Frau Corsten, nochmals eingehend auf die anfangs beschriebenen Herausforderungen, die Diskussionsrunde bzw. den Expert_innen-Austausch. Aufgeworfen wurde beispielsweise die Frage nach der Entwicklung künstlicher Intelligenz im Bereich der Übersetzung von Nachrichtentexten in Leichte oder Einfache Sprache. Herr Dittler vom NDR begrüßte diese Idee und zeigte sich offen für Hilfsmittel, die den Texterstellungsprozess gewinnbringend vorantreiben – wohl in Hinblick auf die zügige Textproduktion und die damit verbundene Wahrung der Aktualität von Nachrichten. Frau Corsten merkte allerdings an, dass derartige Tools, wie sie bereits im fremdsprachlichen Übersetzen etabliert sind, dem Bestreben der inklusiven Zusammenarbeit, also der Partizipation der Zielgruppe am Texterstellungsprozess, widersprechen. Mehrere Stimmen betonten, wie wichtig sie die Teilhabe und direkte Rückmeldung durch die Zielgruppe, vor allem der potentiellen Leser_innen aus Werkstätten für Menschen mit Behinderung, finden. Die “punktuelle Einbindung“ der Zielgruppe bei den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten sei “insgesamt nicht ausreichend“, so Frau Corsten. Festzuhalten ist sicherlich, dass es bereits einige gute Angebote in Einfacher und Leichter Sprache gibt, und dass jeder Versuch, sprachliche Barrieren abzubauen zunächst einmal ein Gewinn für unsere Gesellschaft ist. Nichtsdestotrotz waren sich Referent_innen und Teilnehmende einig, dass das bestehende Angebot deutlich erweitert werden müsse – es aber aktuell vor allem noch an zeitlichen und finanziellen Ressourcen scheitere.

Die Aufzeichnung des Vortrags der Referent_innen finden sie hier.

Wir danken allen Teilnehmenden und besonders Herrn Martin Dittler vom NDR sowie Frau Anna Schmitz von der Caritas Wertarbeit Köln und Anne Leichtfuß für die interessanten Einblicke und wichtigen Impulse.

Das Transferforum ist ein wiederkehrendes Format, das vom Innovation-Lab Köln konzipiert, geplant und durchgeführt wird. Die Moderation und technische Umsetzung geschah durch Tristan Steinberger und Stephan Post vom Innovation-Lab Köln.