Matthias Seibt ist seit vielen Jahren im Verein Psychiatrie-Erfahrene NRW in Bochum aktiv und hat sich auf die Bereiche Psychopharmaka und Rechte von psychisch Erkrankten spezialisiert. Der Vortrag war als interaktive Diskussionsrunde gestaltet und bezog die Teilnehmenden mittels Umfragen zu Themen wie Corona und Menschen mit psychischen Erkrankungen ein.
Zu Beginn des Vortrags wurde ein Überblick über die unterschiedlichen Auswirkungen des Grippe- und COVID19-Virus gegeben sowie ein Blick in andere Länder geworfen, um eine Einschätzung über die Wirksamkeit von Maßnahmen zu erhalten.
Anhand von Statistiken wies Seibt darauf hin, dass sich die Lebenserwartung von Menschen mit einer psychischen Erkrankung um 20 bis 30 Jahre verringert. Seibt berichtete davon, dass momentan sehr viele psychiatrische und psychosoziale Angebote in der Versorgungslandschaft für betroffene Menschen wegfallen. Gleichzeitig machte er im Selbsthilfeverein die Erfahrung, dass während des aktuellen Lockdowns und des vergangenen Frühjahrs 2020 weniger Menschen telefonisch Kontakt aufnahmen als üblich. Eine Erklärung dafür ließ sich in der Mutmaßung finden, dass viele Personen von den Auswirkungen der Pandemie überwältigt waren und kaum Kraft dazu fanden, den Kontakt nach außen zu suchen. Ein weiterer Grund könnte sein, dass zu wenige Informationen über Selbsthilfemöglichkeiten an Personen, die sich in der vergangenen Zeit in klinischer Behandlung befanden, weitergeleitet wurden.
Ebenso wurde über mögliche Folgen der Pandemie für Personen auf geschlossenen Stationen in Kliniken gesprochen. Es kam die Fragen auf, ob Fixierung eine Form von Gewalt sei und wie die derzeitige Situationen auf den Stationen sei. Seibt konnte dazu Stellung nehmen und berichtete von Aussagen, dass es teilweise vermehrt zu Zwangsfixierungen gekommen sei. Zu betonen ist allerdings, dass es hierfür noch keinerlei Belege gibt. Auch die aktuellen Besuchsbeschränkungen mögen zu wenig Informationen führen.
Eine wichtige Entwicklung in der Arbeit des Vereins ist momentan die Umstellung auf Onlineformate. Die Digitalisierung des Selbsthilfeangebots erweist sich als Versorgungslücke, die es für den Verein und auch für ihn selbst derzeit noch als zu erproben, erlernen und zu etablieren heiße. Seibt selbst sei zwar offen für die neue und ungewohnte Technik, allerdings hoffe er, in Zukunft seine Arbeit wieder mit gewohnten Abläufen durchführen zu können.
Ein brisantes Diskussionsthema war die Frage nach Umgangsweisen mit Psychosen und der Vergabe bzw. Einnahme von Psychopharmaka. Diesbezüglich gab es unterschiedliche und spannende Sichtweisen.