Das Transferforum diskutiert das drängende Thema Fachkräftegewinnung und -bindung
Transferforum Heimerziehung: “Es ist fünf nach zwölf“
01. April 2022

Am 17. März 2022 tagte zum fünften Mal das Transferforum Heimerziehung, das zweimal jährlich von Prof.‘in Sabrina Schmidt, Prof. Sebastian Böhm und Prof. Joachim Windolph in Kooperation mit dem Sozial-Wissenschaftsladen ausgerichtet wird. In diesem Rahmen diskutierten die Vertreter_innen der Hochschule mit Fach- und Leitungskräften aus der Praxis der erzieherischen Hilfen das drängende Thema der Fachkräftegewinnung und -bindung. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die Vorträge von Daniel Kieslinger vom Bundesverband Caritas Kinder- und Jugendhilfe e. V. und von Dr.‘in Linda Averbeck von der Fachhochschule Südwestfalen.

Der Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Zusätzlich erhöhen die Umsetzung der im SGB VIII verankerten inklusiven Lösung, der Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung und komplexer werdende Hilfesettings die Anforderungen an die bestehenden Mitarbeiter_innen. Diese Herausforderungen hat Daniel Kieslinger (BVkE) in seinem Vortrag aus Sicht eines Bundesverbandes aufgegriffen und die Imagekampagne “Challenge accepted“ des BVkE vorgestellt. Die Kampagne soll junge Menschen für das Berufsfeld der stationären Erziehungshilfen gewinnen. Im Zuge dessen haben die Teilnehmenden des Transferforums verschiedene Wege zur Fachkräftegewinnung und diesbezügliche Veränderungen der letzten Jahre diskutiert. Neben der Gewinnung über Praktika und Praxissemester, wurde vor allem die wachsende Rolle von Social Media als neues Medium zur Ansprache und Werbung potentieller Mitarbeitenden hervorgehoben. Erschwert werden die innovativen Bemühungen der Einrichtungen jedoch durch restringierende Rahmenbedingungen und fehlende politische Unterstützung. Um die anspruchsvolle Arbeit in der Heimerziehung weiterhin auf hohem fachlichen Niveau in Zeiten des sich zunehmend verschärfenden Fachkräftemangels erbringen zu können, bedarf es u. a. verstärkte Investitionen in Ausbildung sowie gesellschaftliche und damit auch monetäre Anerkennung.

Die Bindung von Fachkräften wurde anschließend von Dr.‘in Linda Averbeck (FH Südwestfalen) aus wissenschaftlicher Perspektive beleuchtet. Die Ergebnisse ihrer Commitment-Forschung zu Mitarbeiter_innenbindung in der Kinder- und Jugendhilfe deuten darauf hin, dass affektive Bindungsmerkmale (versus normative und kalkulatorische) die am stärksten ausgeprägte Commitment-Dimensionen in der Kinder- und Jugendhilfe und somit konstitutiv für eine langfristige Bindung sind. Ein hohes affektives Commitment kennzeichnet geteilte Norm- und Wertevorstellungen, Gefühle von Zugehörigkeit und Wertschätzung, Zusammengehörigkeit mit den Kolleg_innen und eine ausgeprägte Identifikation mit dem Arbeitsfeld. Um Fachkräfte im Handlungsfeld zu gewinnen und langfristig binden zu können, ist demnach ein Fokus auf affektive Bindungsmerkmale förderlich. In der Praxis lässt sich dies im Rahmen eines wertschätzenden Führungsstils auf der Ebene der einzelnen Personalverantwortlichen und der gesamten Einrichtungsleitung realisieren. Zusätzlich sollte das Arbeitsklima gefördert, das Einrichtungsprofil geschärft und die teaminterne Konzeptentwicklung vorangetrieben werden. Wenn zudem eine stärkere Ressourcenorientierung und personenbezogene Maßnahmen praktische Umsetzung erfahren, kann eine nachhaltige Mitarbeiter_innenbindung etabliert werden.

Zum Abschluss wurde ein Ausblick auf das nächste Transferforum Heimerziehung gegeben, das am 19. September 2022 stattfinden und an diese Veranstaltung anknüpfen wird. Aus empirischer Perspektive wird das Thema erneut aufgegriffen. Zwei Lehrforschungsprojekte des Master-Studiengangs “Innovationsmanagement in der Sozialen Arbeit“ werden ihre Ergebnisse vorstellen: Die Forschungsgruppe um Prof.‘in Sabrina Schmidt und Prof. Sebastian Böhm thematisiert die Mitarbeitenden-Zufriedenheit im Sozialwesen, während das Projekt von Prof.‘in Karla Verlinden und Teresa Frank der Frage nachgeht, was Fachkräfte der Heimerziehung bewegt, zu kündigen oder zu bleiben bzw. inwiefern die persönliche und institutionelle Resilienz den Verbleib von Fachkräften in der Heimerziehung beeinflusst. 

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